Der Rat der Eule

Der Rat der Eule

Im Südwesten Berlins auf einer kleinen Insel mitten in der Havel, lebten einmal sehr viele Pfauen.
Deshalb nannte man sie auch die Pfaueninsel. Dort lebte ein kleines Pfauenmädchen, das nicht so aussah wie die anderen.

Es hatte kein braunes Gefieder, sondern ein weißes Federkleid, und weil ihre Eltern am Jasminbusch wohnten, der im Sommer so duftende weiße Blüten trug, nannten sie ihr Töchterchen Jasmin.

Die anderen Pfauen wollten nicht mit Jasmin spielen, weil sie so anders war.
Also saß die Kleine oft versteckt am Ufer der Havel und blickte den Schiffen hinterher und träumte davon in die weite Welt zu fahren. Einmal kam die Fähre vom anderen Ufer mit festlich gekleideten Menschen herüber von denen eine Menschenfrau besonders schön aussah. Sie hatte auch ein weißes Gefieder, aber mit einer langen Schleppe. Auf dem Kopf trug sie eine weiße Krone, in der Hand einen herrlichen Blumenstrauß und vor ihr streuten kleine Kinder Rosenblüten auf den Weg.
“Ach“, sagte Jasmin. “Wenn ich groß bin möchte ich auch heiraten und so ein schönes langes Kleid tragen.“
Traurig sah sie an ihrem kurzen weißen Gefieder herab und eine dicke Träne quoll aus ihren schwarzen Augen.Jasmin wuchs und mit ihr wuchs die Sehnsucht.
Eines Tages, als sie schon eine wunderschöne junge Frau war, sah sie einen weißen Pfau durch den Park schreiten. Stolz trug er die Federkrone, die mit seiner langen Schleppe so hell in der Sonne leuchtete, dass Jasmin ihre Augen schließen musste. Im Schatten einer großen Eiche blieb er stehen. Er stellte seine Schleppe auf, schlug ein Rad.

Er drehte sich immer wieder um die eigene Achse und zeigte sich in seiner ganzen Pracht. Sein Gefieder war die reinste Augenweide. Sie trat näher, um ihn zu bewundern. Er war so schön, dass Jasmin sich auf der Stelle in ihn verliebte. Auch Jasmins Gefieder leuchtete hell in der Sonne. Der Pfauenjüngling sah, wie wunderhübsch sie war und verliebte sich auch. Sie waren so glücklich miteinander.
Aber, so wie ihre Liebe von Tag zu Tag wuchs, wuchs auch in Jasmin die Sehnsucht nach einem weißen Hochzeitskleid.
Der Pfauenjüngling konnte den Schmerz seiner Liebsten kaum noch ertragen. Deshalb ging er eines Abends zur knorrigen Eiche die ganz allein auf der Wiese stand. Dort wohnte die weise Eule Immerrat.

Zu ihr sprach er: “Bitte liebe Eule Immerrat, ich brauche deine Hilfe. Meine liebste Jasmin ist so traurig, weil sie eine lange Schleppe zu unserer Hochzeit tragen möchte und ich würde ihr diesen Wunsch so gern erfüllen. Was kann ich nur tun. Bitte gib mir einen Rat.“
Die weise Eule blickte ihn mit ihren großen runden Augen an und nickte mit ihrem Kopf: “So höre holder Jüngling. Es gibt nur eine Möglichkeit ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Du musst dir deine Federn ausreißen und sie zu den Spinnen bringen. Die spinnen dann ein Kleid mit einer langen Schleppe daraus. Aber bedenke, wenn du dies tust, dann musst du sterben.“
Traurig ging der Jüngling von dannen. Er sprach mit niemandem über den Rat der Eule.
Die Zeit verging schnell und der Tag, an dem die Hochzeit sein sollte, war nahe. Jasmin wurde immer trauriger. Und so beschloss der Jüngling dem Rat der Eule zu folgen. In der Nacht des Juli Vollmondes ging er auf die Lichtung, setzte sich unter die Eiche und rupfte die erste lange Schwanzfeder raus.
Jasmin aber hatte mitbekommen, dass ihr Liebster aus dem Haus gegangen war. Still und heimlich war sie ihm gefolgt und nun musste sie mit ansehen, wie er seinen wunderschönen Federn zu Leibe rückte.
“Was tust du da?“, rief sie entsetzt.
Der Jüngling zuckte zusammen, als er die Stimme seiner Liebsten hörte.
“Ich will dir nur deinen Wunsch erfüllen, denn ich kann es nicht ertragen, wenn du so traurig bist. Ich rupfe mir die Federn aus und die Spinnen machen dir ein Kleid mit einer Schleppe daraus.“
In diesem Moment wurde es Jasmin klar, wie töricht ihr Wunsch war und sie rief: “Halte ein, mein Geliebter. Was brauch ich ein Kleid mit einer Schleppe, wenn ich einen so wunderbaren Geliebten habe.“
Eine Woche später fand nun endlich die Hochzeit statt. Jasmin war geschmückt mit vielen Jasminblüten und auch die Wege waren bestreut damit und als sie vor der alten knorrigen Eiche standen und die Eule den Jüngling fragte: “Willst du Jasmin immer lieben und ehren?“
Da sagte er: “Ja!“ und übergab Jasmin, als Zeichen seiner Liebe, die lange zauberhafte weiße Feder, die er sich in der Vollmondnacht ausgerissen hatte.
Beide lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

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