Es geht um die Wurst

Hertha Schulze reibt sich fröstelnd die Hände. Seit sieben Uhr morgen steht sie hinter ihrem Wurststand auf dem Tegeler Vorplatz.
Nun ist es bereits später Nachmittag und außer den Schulkindern und einer hungrigen Maurerkolonne ist kaum Kundschaft vorbeigekommen.


So sind se, die Leute heutzutage, denkt Hertha bitter, wollen allet „to go“. Keener hat mehr Zeit für’n kleenet Schwätzchen. Kaum hamse ihr Würstchen inner Hand, setzen se sich damit auch gleich wieder in Bewegung. Auf ’n Freundlichet “Lassen Se sich’s schmecken“ legt keener mehr Wert.
Hertha seufzt. Sie langweilt sich mit ihrer Wurst, und die Kasse klingelt heute auch nicht.
Da tippelt eine schlanke, gut gekleidete Frau direkt an Herthas Stand vorbei, mit großem Hut und Rollkoffer. Die wirkt, als wäre se hier uff Durchreise, überlegt Hertha.
Und dann beschließt sie: Entweder die – oder jar keene mehr!
Wenn det wieder nüscht wird, mach ick die Bude dicht für heute.
“Hallo! Hallo, Sie da!“
“Wer, ich?“
“Ja, Sie! Sie sehen aus, als hätten Se Appetit auf ’ne richtig leckere Currywurscht!“
“Ach so? Wie sieht jemand aus, der Appetit auf eine Currywurst hat?“
“Na, wie schon? Eben hungrig.“
“So hungrig wie auf einen Mann?“
“Wie seh’n denn die aus, die hungrig uff ’n Mann sind?“
“Na, die haben so einen Jagdinstinkt in den Augen.“
“Jagdwurscht? Also uff Vorbestellung mach ick ooch Jagdwurscht.“
“Na, ich will ja gar nicht jagen. Mein Helmut, Gott hab ihn selig, der jagte jedem Zipfel nach. Das hat mir gereicht.“
“Zipfel? Hab ick ooch. Wurschtenden, besonders lecker.“
“Nein, nein, ich meine doch Schürzenzipfel.“
“Wat denn? Wer trägt denn heut noch Schürze?“
“Immer mit der Wurst nach dem Schinken“
“Schinkenknacker sind ooch sehr schmackhaft.“
“Ach, bei Ihnen geht es immer nur um Wurst.“
“Aber et jeht ooch imma um de Wurscht!
Komm’ Se, nehm se mal ’ne leckere Currywurscht,
denn jeht’s Ihnen gleich wieder bessa!“
“Na wenn Sie meinen. Vielleicht sind mir die Abenteuer meines Helmuts danach wirklich Wurst.“
“Ja, und wie es so is im Leben, allet hat mal een Ende. Aber wollen Se wissen, was mich tröstet? Die Wurscht. Die hat nämlich zwee Enden!
Und wenn mir dit eene Ende nicht passt, dreh ick die Wurscht einfach um.“

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