Die Frau des Hausmeisters

Gisela Ganz war die Frau des Hausmeisters, oder wie sie immer zu betonen pflegte: “Ich bin die Gattin des Facility Managers.”

Mit Argusaugen betrachtete sie immer das Treiben im Haus. Ihr entging nichts, oder besser gesagt: fast nichts. Der einzige Makel, den sie zu haben glaubte, war ihre Schwerhörigkeit. Doch ihre Eitelkeit ließ es nicht zu, dass sie das Hörgerät außerhalb der Wohnung trug.

Der Herbst hatte begonnen und Gustav Ganz fuhr wie jedes Jahr zum Familientreffen nach Bottrop. Seine Gattin Gisela, die die primitive Familie aus dem Ruhrpott nicht leiden konnte, Gustav war natürlich die rühmliche Ausnahme, übernahm mit Freuden, für diese Zeit die Aufgaben des Facility Managers.

Donnerstag war der Tag für die Hofreinigung, weil am Freitag immer die Berliner Stadtreinigung kam um den Müll abzuholen.

Gisela hasste diesen Tag, weil sie dann alle Mieter bei dieser simplen Arbeit sehen konnte.

Sie zog sich über das rote Kleid, von dem sie glaubte, dass es ihre Rundungen perfekt kaschierte, die Kittelschürze und sah in den Spiegel. Dann betrachtete sie sich prüfend von allen Seiten. Das sieht doch echt blöd aus. Wozu braucht sie eine Schürze? Ohne weiter darüber nachzudenken zog sie die Schürze aus. In ihrem wunderschönen roten Kleid holte sie Eimer und Besen aus dem Keller und fegte die Blätter in Richtung Mülltonne.

Plötzlich hörte sie lautes Stimmengewirr aus der Parterrewohnung. Sie hielt im Fegen inne und lauschte angestrengt. Nanu, die Müllers sind doch sonst nicht so laut. Angespannt versuchte sie etwas zu verstehen. Ist das überhaupt die Stimme von Herrn Müller? Irgendwie klingt die total fremd. So laut redet der doch sonst nicht. Der schreit ja förmlich. Was hat er eben gesagt? Was für ein scheiß hässlicher Hase? Was ist mit der Butter? Hätte sie doch bloß dieses blöde Hörgerät rein gemacht.

Unvermittelt gingen die Schreie in ein hysterisches Kreischen über: “Nein bitte nicht, nein tu es nicht. Bitte bitte. Bitte tu es nicht. Das kannst du doch nicht machen.“

Das Kreischen wandelt sich in ein verzweifeltes Wimmern und da konnte Gisela nicht mehr an sich halten. Wenn jemand so in Not ist, musste sie einfach helfen. Todesmutig raffte sie ihr rotes Kleid hoch, kletterte auf die Mülltonne, hangelte sich über die Brüstung des Balkons, knallte auf den Boden, rappelte sich hoch und rannte in das Wohnzimmer. Herr Müller stand vor seiner weinenden Frau. In der hoch erhobenen Hand hielt er eine Vase und holte aus. Das konnte Gisela einfach nicht zulassen.

“Nein”, schrie sie, stürzte sich todesmutig auf Herrn Müller und wollte ihm die Vase aus der Hand reißen.

Vor Schreck ließ Herr Müller das gute Stück auf den Boden fallen. Die Vase zersprang in tausend Stücke.

Frau Müller schrie erschrocken auf: „Oh Gott! Die gute Vase von meiner Mutter.“

Völlig irritiert fragte Gisela: “Welcher Hase von der Butter?“

 

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